These pots are made for cooking, Vol. 3

Stig Lindberg (1916-1982, S) begann 1935 sein Studium an der Technischen Universität in Stockholm (die spätere Universität für Kunst, Handwerk und Design, kurz Konstfack). Schon 1937 kam er das erste Mal als Praktikant an die Porzellanmanufaktur Gustavsberg. Von 1937-40 lernte Lindberg dort als Schüler bei Wilhelm Kåge (1889-1960), der seit 1917 die künstlerische Leitung bei Gustavsberg inne hatte. Zusammen gründeten die beiden Keramiker 1942 das Gustavsberg Studio, wo sie und weitere namhafte KeramikerInnen sehr frei experimentieren konnten. Eigentlich hatte Lindberg nach seinem ersten Praktikum einen Studienaufenthalt an der Wiener Kunstakademie geplant gehabt. Doch die Fabriksleitung von Gustavsberg erkannte sein Talent und bot ihm eine Anstellung samt Studien in Paris an. Lindberg nahm an und prägte Gustavsbergs Produktion über viele Jahre. Von 1949-57 und von 1972-80 war Stig Lindberg künstlerischer Leiter des Studios, dazwischen unterrichtete er an der Kunstuniversität in Stockholm.

Nicht nur der künstlerischen Keramik galt Lindbergs Interesse. Seine Ideen und Entwicklungen auf dem Gebiet der Gebrauchskeramik waren schier unerschöpflich. 1955 präsentierte er eine feuerfeste Serie namens Terma:

Terma wurde aus der von Gustavsberg eigens entwickelten und patentierten Keramikmasse Novarlit hergestellt. Diese Masse war ein Produkt der Raketenforschung und ist feuer- und ofenfest sowie sehr temperaturschockverträglich.

Stig Lindberg wollte mit Terma ein Kochgeschirr anbieten, das vom Herd direkt  auf den Tisch kommen konnte. Die bis dahin üblichen Servierplatten und -schüsseln aus Porzellan erübrigten sich, da die Speisen gleich in den ansprechenden Auflaufformen, Pfannen und Töpfen serviert werden konnten. Vereinfachung und Reduktion waren in der Gestaltung von Hausrat zwei wesentliche Themen dieser Zeit. Man kam immer mehr ab von monströs großen Servicen mit einer unüberschaubaren Zahl von verschiedenen Teilen in allen denkbaren Größen. Wenige aber vielfach einsetzbare Teile waren das Ziel. Damit musste auch weniger Geschirr abgewaschen und verstaut werden.




Töpfe und Ofenformen waren platzsparend stapelbar:






Der einfach zusammengedrückte Griff der Pfanne ist ein Element, das Lindberg auch in seiner zeitgleich entwickelten Studiokeramik einsetzte – Veckla (von 1950-60 in Produktion) und Pungo (von 1953-64 in Produktion) weisen dieses Merkmal auf.


(Fotoausschnitt aus Gisela Eronns Buch Tusenkonstnären Stig Lindberg, S. 73. Foto: Thomas Svensson)





Terma wurde von 1955 bis 1976 produziert.

Gustavsbergs Werbung für Terma wurde auch in den einschlägigen Magazinen wie etwa Form geschaltet, hier einige Beispiele:

Form H55/1955 (Sondernummer zur Hälsingborg-Messe H55):
Zwei ofenfeste Serien Lindbergs, Terma und Spisa (hier die Spisa Marmeladedosen mit Deckeln, die gleichzeitig Teller waren)

Form 1/1956:

Form 3-4/1956:
Terma, gemeinsam mit anderen ofenfesten und miteinander kombinierbaren Entwürfen Lindbergs: Legym, Marin, Ribb

Gustavsberg wurde 1825 gegründet. 1937 ging die Porzellanfabrik in den Besitz des Kooperativa Förbundet über (entsprach dem österreichischen KONSUM, oder der schweizer Coop). 1987 wurde Gustavsberg an das finnische Unternehmen Wärtsilä verkauft, kurze Zeit später gemeinsam mit Arabia (SF) und Rörstrand (S) an das finnischen Unternehmen Hackman (heute die Iittala Group). 1994 wurde die Porzellanerzeugung in Gustavsberg niedergelegt. 1996 Wiederaufnahme der Produktion in kleinerem Rahmen unter neuen Besitzerverhältnissen und dem Namen HushållsPorslinsFabriken i Gustavsberg, kurz HPF. Ingegerd Råman, Carl Philip Bernadotte & Oscar Kylberg sind einige der aktuellen DesignerInnen. Nachdem im Jahr 2005 Rörstrands Produktion nach fast 280 Jahren ins Ausland verlagert wurde, ist HPF heute Schwedens einziger Porzellanhersteller.

Gustavsbergs Stempelsymbol, der Anker, veränderte sich über die Jahre. Ursprünglich war der Anker mit einem Tau umwickelt – hier der Stempel, der von 1940 bis ca. 1970 verwendet wurde:

Ab etwa 1970 verschwand das Tau aus dem Fabriksstempel, der bis 1993 so aussah:

(Beide hier abgebildeten Stempel jeweils mit den Terma-eigenen Zusatzstempelungen. Heute wird der Stempel wieder mit dem Tau abgebildet, sowie dem Zusatz „Made in Gustavsberg Sweden“ und dem Produktionsjahr.

Lindbergs Ruf als Keramiker ist in Schweden ebenso groß wie jener als Textildesigner und als Kinderbuchillustrator. Gemeinsam mit Lennart Hellsing entstanden ab 1947 großartige Kinderbücher von fast surrealem Charakter: Durchgeknallte kleine Geschichten, teils in Reim- und Liedform wurden von den Protagonisten Krakel Spektakel und Daniel Doppsko (in der deutschen Übersetzung Balduin Baumelschuh) durchlebt.

Hellsing und Lindbergs Bücher wurden anfangs im Buchverlag des Kooperativa Förbundet herausgebracht und schnell sehr populär. Sie gehörten mit zu den ersten Kinderbüchern, die keinen erzieherischen Impetus hatten, sondern künstlerisch und lustvoll die Phantasie anregen wollten. Auf deutsch erschienen sie bei Oetinger. In Schweden zählen Hellsings vertonte Kinderreime heute noch zu den populärsten Kinderliedern.

 

Weiterführende Literatur:
Gisela Eronn: Tusenkonstnären Stig Lindberg (2003, Prisma Stockholm)
Bo Gunnar Lindgren: Servisporslin (1962, Svenska Slöjdföreningen)
Carolina Söderholm: Svenska Formgivare (2005, Historiska Media)


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