Aus der 1932 im norwegischen Holmedal gegründeten S. & S. Helle Knivfabrikk sind heute zwar v.a. die Messer bekannt, doch stammen aus dem Werk auch ein paar schöne Essbestecke. Um ein Besteck von Jonas Helle soll es hier gehen:
Das hier gezeigte Modell hat abgeflachte, sich zum Ende hin verjüngende Teakgriffe mit hexagonalem Querschnitt. Die Gabel hat die für skandinavische Bestecke dieser Zeit typische vergrößerte Laffe und damit verkürzte Zinken, um Saucen besser aufnehmen zu können. Das Messer hat eine raffinierte Klinge: gerundet auf der einen Seite, also perfekt um damit Butter zu streichen, und gezahnt auf der anderen Seite für leichteres Schneiden der Speisen:
Auch eine Version mit Palisandergriffen gab es:
Und es wurden zumindest zwei unterschiedliche Größen produziert:
Helle markierte sein Besteck mit S & S Helle…
… ebenso die Kartons…
… und da das Logo quasi auf der Hand lag, wurde aus dem Familiennamen die Hellebarde (norweg. hellebard):
Das Unternehmen ist seit mehr als 80 Jahren aktiv, und weil man es stellvertretend für viele andere kleinere Betriebe betrachten kann, die immer schon auf Qualität setzten und diese zu einem großen, um nicht zu sagen überwiegenden Teil der Geschicklichkeit ihrer Angestellten verdanken, hier ein kurzer Abriss der Firmengeschichte:
Im norwegischen Küstenstädtchen Holmedal in der Gemeinde Askvoll wurde 1932 die S. & S. Helle Knivfabrikk gegründet. Die beiden „S“ standen für das Brüderpaar Steinar und Sigmund. Von ihrem Vater Berent, dem Dorfschmied, lernten sie das Handwerk. Anfangs schmiedeten sie in ihrer Schmiede Werkzeuge, die sie an die Bauern im Umland verkauften. Auch Messer fertigten sie, und mit diesem Produkt wollten sie sich einen größeren Käuferkreis erschließen. Steinar fuhr also per Fahrrad mit Messern im Gepäck nach Oslo und verkaufte sie dort. Er musste dafür eine Strecke von etwa 500 km bewältigen. Google Maps wirft bei der Berechnung der Strecke per Fahrrad das Handtuch und kommentiert lediglich „Die Fahrradroute von „Helle Fabrikker AS, Gnr 205 Bnr 3, 6982 Holmedal, Norwegen“ nach „Oslo, Norwegen“ konnte nicht berechnet werden.“ Aber Steinar scheint es doch hingekriegt zu haben, offenbar richtig gut, denn es ging aufwärts.
1943 kauften die Brüder eine kleine ehemalige Butterfabrik am Kai des Dalsfjorden, Flora Smørfabrikk. Ab 1948 begannen sie, neben den Messern auch Essbestecke herzustellen. Ihr Bruder Jonas Helle, der Miteigentümer der Knivfabrikk war, arbeitete als Werkzeugmacher und entwarf Bestecke wie etwa das hier präsentierte.
1963 erwarben die Brüder eine ehemalige Aluminiumfabrik am Nachbarfjord Stongfjorden. Nach einer kurzen Phase der Messerproduktion auch in dieser Niederlassung verlegte sich Stongfjorden auf die Herstellung von Lachszuchtkäfigen. Helles zweites Standbein lief unter dem Firmennamen Viking Global A/S und wurde 2003 verkauft. 1968 wurde die S. & S. Helle Knivfabrikk in die Aktiengesellschaft A/S Helle Fabrikker umgewandelt. Bis 1973 wurden überwiegend Essbestecke produziert und weltweit exportiert. Der amerikanische Importeur und Großhändler H. E. Lauffer nahm das hier behandelte Besteck ins Programm und verkaufte es unter der Musterbezeichnung Oslo in Amerika. 1977 wurde die Zusammenarbeit von Lauffer und Helle beendet, wodurch ein großer Markt für Helle wegbrach und das Unternehmen in ökonomische Schwierigkeiten stürzte. Es verlagerte die Produktion auf Sportmesser und ist auf diesem Gebiet bis heute erfolgreich aktiv.
Heute wird das Unternehmen A/S Helle Fabrikker von Sigmunds Sohn Torudd geleitet. Aktuell werden 40 verschiedene Messer für ganz spezifische Einsatzgebiete (Fischen, Jagd,… ) aufwändig und nach wie vor zu einem großen Teil in Handarbeit gefertigt. Wie die Messer Schritt für Schritt im alten Fabriksgebäude in Holmedal händisch gefertigt werden, vermittelt ein kurzer Film, den Helle Knivfabrikk auf Youtube (https://www.youtube.com/watch?v=1cuYnbWmEMY&hd=1) hochgeladen hat. Der Titel „There are no shortcuts to perfection“ darf als programmatisch gesehen werden:
Quellen:
Artikel auf der Webseite der Gemeinde Askvoll vom 21. Januar 2015: http://www.askvolliutvikling.no/aktuelt/2015/2/26/p-knivsegg-i-81-r
Artikel des digitalen Lexikons „Allkunne – levande leksikon“ vom Nynorsk kultursentrum: http://www.allkunne.no/framside/fylkesleksikon/kommunar-i-sogn-og-fjordane/askvoll/as-helle-fabrikker/1894/82696/
Kjell Eikemo: Industrihistoria (pdf): https://www.askvoll.kommune.no/kommune-og-politikk/om-askvoll/industrihistorie/
Vielen Dank an Heinrich Averwerser für den Hinweis auf Jonas Helle als Designer dieses Besteckes und auf die Zusammenarbeit mit Lauffer.