Die Vorweihnachtszeit auf der Nordhalbkugel ist eine richtig finstere Jahreszeit. Die Tage bis zur Wintersonnenwende um den 21.12. herum werden kürzer und kürzer, Dunkelheit überwiegt, die Temperaturen tendieren spürbar eher zu kalt als zu warm. Noch dazu ist in unserer auf dem Gregorianischen Kalender basierenden Zeitrechnung der Jahreswechsel bevorstehend, man schließt mit Altem ab, bereitet sich auf Neues vor.
So wie das Jahr mit seinen Saisonen wieder kommt, kommt auch die Sonne wieder, der Tag gewinnt wieder die Oberhand über die Nacht. Er wird mit Licht begrüßt, auch wenn seit etwa 17 Jahrhunderten in christlich geprägten Kulturen offiziell das frischgeborene Jesukind begrüßt und gefeiert wird. Allerdings spielt in Skandinavien der Weihnachtsmann seit dem 19. Jahrhundert eine weitaus prominentere Rolle, und wie die Brücke vom Ziegenbock zu ihm geschlagen wird, steht weiter unten. Jedenfalls geht im Dezember nichts ohne Licht.
Es gab ab dem 19. Jahrhundert den von Norddeutschland ausgehenden protestantischen Brauch, jeden Adventsonntag sieben Kerzen – eine für jeden Wochentag – anzuzünden. 1839, heißt es, steckte der evangelische Theologe Johann Wichern, der sich in Hamburg für Straßenkinder einsetzte und ihnen die Vorweihnachtszeit verkürzen wollte, 24 Kerzen in ein Wagenrad, jene für die Adventsonntage waren größer und so war das Prinzip des Adventkranzes (und eigentlich auch jenes des Adventkalenders) geboren. Der Kranz wurde mit der Zeit auf vier Kerzen reduziert. Etwa 80 Jahre später wurde der Adventkranz in die katholische Tradition übernommen.
Vier in einer Reih oder rundherum – das ist heute das Prinzip der meisten Adventkerzenhalter. Hier ein paar Spielarten aus dem Hohen Norden:
Von Pierre Forssell (S, 1925-2004) stammt dieses kantige Messingteil namens Profil: Forssell entwarf es für Schwedens ältestes, noch immer aktives Messingwerk Skultuna. Der passende Kerzendurchmesser entspricht jenen Kerzen, die früher auf die Weihnachtsbäume gezwickt wurden.
Der gusseiserne, ovale Kerzenhalter wurde von Gunnar Ander (S, 1908-1976) für das südschwedische Unternehmen Ystad Metall entworfen (der gewundene Halter aus Messing ist unbekannter Herkunft):
(Der rot paspellierte Läufer aus feinstem, handgewebtem Bauernleinen ist um die 100 Jahre oder älter. Er wurde zu Weihnachten mittig auf die Speisetafel oder den Buffettisch gelegt. Sogar die Paspeln wurden selbst gefärbt, der Farbverlauf geht von einem helleren warmen Rot in eine dunklere Nuance über.)
Ein Klassiker ist dieser Kerzenhalter in Kistenform: Ein rechteckiges Kistchen aus Metall, zumeist aus Kupfer oder Messing, manchmal aus lackiertem Stahlblech, in das vier Halterungen für Kerzen geschraubt oder geschweißt sind. So eine Kistenform hat für Verspielte einen großen Vorteil – man kann dekorieren: Mit der helle Pölsterchen bildenden Flechte Cladonia stellaris wird ausgepolstert, und nun kann gespickt werden mit Hagebutten, kleinen roten Äpfeln, Nüssen, Tannenzweigen,…
Ebenfalls dekorierbar sind jene alten Keramikmodelle, die eher quadratisch anmuten und die Kerzen jeweils an den Ecken tragen. Diese beiden Modelle stammen aus zwei schwedischen Keramikmanufakturen, Gabriel (blau) bzw. Upsala Ekeby (gelb):
Sieben Lichter – eines für jeden Wochentag – sind typisch für die elektrischen Kerzenhalter, die mittlerweile auch außerhalb Skandinaviens besonders in der Vorweihnachstzeit die Fenster beleuchten. Oskar Andersson (S, 1909-96) hieß der Mann, der sie entwickelte und erstmals 1934 vorstellte. Er war Lagerarbeiter beim niederländischen Konzern Philips in Göteborg. Philips lancierte in Schweden um 1930 die elektrische Beleuchtung für Weihnachtsbäume, und diese „Kerzen“ mit ihren kleinen Glühbirnchen inspirierten Andersson zu seiner Erfindung:
Ein vierflammiger Einreiher neueren Datums kommt aus dem Glaswerk Sea in Småland, Schweden:
Für die Glashütte Pukeberg entwarf Staffan Gellerstedt (S, *1944) etwa in den 1960er Jahren kreis- und kreuzförmige Kerzenhalter, hier die Kreuzform:
Dieses Modell aus den 1970er- oder 80er-Jahren ist aus Kiefernholz:
Ein schweineförmiger Kerzenhalter ist in Skandinavien nicht weiter auffällig, doch südlich vom Norden fragt man sich „Warum ein Schwein??“
Julskinkan* gehört fix zu einer traditionellen Weihnachtstafel, und jenes Tier, das diesen Schinken liefert, ist damit Teil der nordischen Weihnachtsikonografie.
Heutzutage steht in jedem Lebensmittelgeschäft eine große Tiefkühltruhe, und viele Haushalte haben neben Kühlschrank auch einen Gefrierschrank oder zumindest ein Gefrierfach. Doch bevor dies zum Standard wurde und Gefrierschränke leistbar für kleine Einkommen waren, gab es Erdkeller, Hauskeller und Speisekammern. Über den langen Winter musste man daher mit Hilfe von eingelegtem, geräuchertem, gepökeltem, gedörrtem und sorgfältig eingelagertem Essen kommen. Im Herbst war also Schlachtzeit, um die Vorräte für den Winter anzulegen. Fleisch stand im Allgemeinen nicht sehr oft am Tisch, auch bei selbstversorgenden oder Bauersfamilien nicht. Zu Weihnachten wurde der Speiseplan aber zumeist festlich unterbrochen, dafür wurde um Lucia herum (13.12.) ein Schwein geschlachtet, Blutpudding und Blutwurst wurden gekocht, Würste gestopft, Fleisch geselcht, Schinken gekocht. Sämtliche Teile des Schweins wurden verarbeitet, und geradezu obligatorisch war der zuerst gekochte und dann in der Senfkruste im Ofen gegrillte Weihnachtsschinken* zu Heilig Abend. Frisch verarbeitetes Fleisch statt der gesalzenen und geräucherten (und vor allem geschrumpften) Vorräte! Das und der festliche Rahmen gaben vermutlich in der finstersten aller Jahreszeiten zusammen mit der Wintersonnenwende einen kleinen Kick, um nochmal die zweite Hälfte des langen nordischen Winters gut zu überstehen.
Auch der Basissatz Keksausstecher für die spröden pepparkakor beinhaltet neben Bauer & Bäurin, dem Bock und einem Herz auch ein Schwein:
Der Bock ist wie die meisten der nordischen Weihnachtssymbole, wenn nicht heidnischen Ursprungs, so zumindest ganz pragmatisch aufgrund seiner lebenserhaltenden Rolle (in dem Fall als Nahrungsquelle) zu einer mythischen Figur geworden. So teilte bis ins 19. Jahrhundert nicht der Weihnachtsmann die Geschenke aus, sondern der Weihnachtsbock. In Finnland heißt der Weihnachtsmann nach wie vor joulupukki, was übersetzt eigentlich Weihnachtsbock bedeutet. Teufel und Krampus sind vermutlich enge Verwandte des joulupukki.
Der Weihnachtsmann ist wohl ein Konglomerat aus dem germanischen Gott Odin, der über den Himmel fuhr, einem holländischen Sinterklaas, der US-amerikanisch zu Santa Claus wurde, nordischen Hauswichteln (schwed. tomtar) und dem Heiligen Nikolaus. Verortet werden sie je nach Land woanders. Der dänische julemanden wohnte früher am Nordpol, mittlerweile ist er nach Grönland gezogen. Der finnische joulupukki oder julgubben (finnlandschwedisch) ist an der russischen Grenze am Korvatunturi zuhause, in Norwegen und Schweden hingegen spielt die Wohnadresse des julenissen bzw. jultomten keine wichtige Rolle
Die altnordische Religion und die sich in den nordischen Ländern relativ spät etablierende christliche Religion verschmolzen synkretisch mitsamt all ihren Heiligen, Symbolen, Festtagen und Ritualen. Das manifestiert sich vielleicht besonders stark in der Vorweihnachtszeit, wo das heidnische Feiern des Lichts oder der Geburt des Tages und das christliche Feiern der Geburt Jesu zusammengefasst werden. Doch schon dieser christliche Termin hat wahrscheinlich heidnische, genauer gesagt, römische Ursprünge, die ebenfalls in einem Sonnenkult wurzeln. Auch das jüdische Chanukka wird als Lichterfest zwischen 13. und 20.12. gefeiert.
Doch sind dies alles mehr oder weniger schlüssige und belegbare Interpretationen. Traditionen sind veränderlich, sie wachsen über lange Zeit, werden den jeweiligen Bedürfnissen einer Gesellschaft angepasst. Früher war man als Kind mit seinem Glauben an den Weihnachtsmann außerhalb Skandinaviens ziemlich alleine, das Christkind war übermächtige und unbestrittene Konkurrenz. Mittlerweile wird auch der Weihnachtsmann ernster genommen.