Stoffservietten, Tischtücher, Platzdeckchen – alle haben Sie hauptsächlich einen Zweck, nämlich den Tisch oder uns sauber zu halten. Was ihrem zweiten Zweck konträr zuwider läuft, nämlich selber schön zu sein. Aber zum Glück gibt es gegen jeden Fleck ein Mittel, sonst würde man manches der hier folgenden Tischtextilien gar nicht auflegen und benützen wollen…
Schnell aus der Lade geholt, machen sie sofort aus jeder einsamen frugalen Jause eine kleine Mahlzeit, denn das Auge isst ja bekanntlich mit. Sitzt eine größere oder kleinere Runde gemeinsam zu Tisch, sind sie Zierde und tragen zum Gesamtbild der gedeckten Tafel bei. Zurückhaltend oder knallig, uni oder gemustert? Dasselbe Motiv mehrfach, oder pro Person ein Motiv? Letztere Variante wird sicher zum Talking piece.
Platzdeckchen
Zarte Glockenblumen zieren diese Leinen-Platzdeckchen (41 x 28 cm) der schwedischen Manufaktur Frösö:
Signiert sind sie mit „Ulla“, die viel für das Unternehmen entwarf, deren voller Name aber nicht bekannt ist.
Sehr schön auch dieses Motiv einer stilisierten Wiese auf variierenden Untergrundfarben:
„Wiese“, Leinen, Design: B. Thorell für Frösö
Die 1946 gegründete Manufaktur Frösö auf der gleichnamigen Insel im Storsjön, gleich vis à vis von Östersund, hat ihren Sitz vor zwei Jahren einige Kilometer weiter aufs Festland nach Nälden verlegt, druckt aber nach wie vor alles im Screenprint-Verfahren von Hand und ist damit eines der letzten Textilunternehmen Schwedens, das nicht auf automatisierten Druck umgestiegen ist. Meterware wird im oder in dem Betrieb zugehörigen Nähereien zu Vorhängen und Kissenbezügen vernäht.
Oft sind Objekte nicht zuordenbar, doch Ähnlichkeiten geben zumindest Hinweise auf einen gemeinsamen Ursprung. Vermutlich aus ein und derselben Textilmanufaktur stammen die folgenden blumigen Motive:
„Sommerwiese“, Leinen (38 x 28 cm)
„Blumenkranz“, Leinen (38 x 28 cm)
„Linnea“, Leinen, Design: KA (38 x 28 cm)
Auch der Ursprung dieses Platzdeckchens ist derzeit noch unbekannt, das Design des Rosenmotivs ist typisch für die 1940er und 50er:
Schweden ist zwar in 21 „län“ (entspricht Verwaltungsbezirk) eingeteilt, die in administrativer Hinsicht einer Mischung aus unseren Bundesländern und Bezirken ähneln, historisch und traditionell lebt aber die Einteilung in 25 „landskap“
(= Landschaften) sehr rege weiter, Zugehörigkeiten – persönlicher oder etwa vereinsgebundener Art – bestehen bei vielen nach wie vor eher zu „ihrer Landschaft“. Und jede Landschaft hat ein Landschaftstier und eine Landschaftspflanze (die über die Zeit in manchen Fällen gegen andere Tiere oder Pflanzen ausgetauscht wurden). Naturgemäß ideale Motive für quasi alles: Porzellan, Keramik, Wandschmuck, Bilder, Schmuck, Textilien,… Wie etwa diese hübschen Platzdeckchen aus bedrucktem Leinen (40 x 30 cm). Die Manufaktur ist unbekannt, ebenso, wer hinter dem Kürzel „Fg“ steht:
Den Landschaften in Götaland, dem südlichen Teil Schwedens, sind diese Pflanzen zugeordnet:
„Margerite“ (Prästkrage), Skåne
„Behaarter Ginster“ (Hårginst), Halland
„Geißblatt“ (Kaprifol), Bohuslän
„Wald-Windröschen“ (Tovsippa), Öland
„Heidekraut“ (Ljung), Västergötland
„Vergissmeinicht“ (Förgätmigej), Dalsland
Es fehlen: Östergötland (Blåklint/Kornblume), Småland (Linnea), Gotland (Murgröna/Efeu)
Den Landschaften in Svealand, dem mittleren Landesteil, sind folgende Pflanzen zugeordnet:
„Siebenstern“ (Skogsstjärna), Värmland
„Schlüsselblume“ (Gullviva), Närke
„Leberblümchen“ (Blåsippa), Västmanland
Es fehlen: Dalarna (Blåklocka/Glockenblume), Uppland (Kungsängslilja/
Schachbrettblume), Södermanland (Vit Näckros/Weiße Seerose)
Und dem nördlichsten Teil Schwedens, Norrland, sind diese Blumen zugeordnet:
„Küchenschelle“ (Mosippa), Härjedalen
„Maiglöckchen“ (Liljekonvalj), Gästrikland
„Lin“ (Blauer Lein), Hälsingland
„Acker-Stiefmütterchen“ (Styvmorsviol), Ångermanland
„Åkerbär“ (Ackerbeere), Norrbotten
Es fehlen: Medelpad (Gran/Fichte), Jämtland (Brunkulla/Schwarzes Kohlröschen), Västerbotten (Kungsspira/Königskerze), Lappland (Fjällsippa/Weiße Silberwurz)
Meterware aus der Werkstatt der äußerst kreativen und produktiven Jobs-Schwestern bzw. aus der Textildruckerei Jobs Handtryck ihres Bruders Peer eignete sich wunderbar für Platzdeckchen. Hier zwei Versionen:
Stugrabatt von Gocken Jobs:
Adam von Eva Jobs:
Empress nannte sich dieses Textilunternehmen, das alles für den Haushalt gewebt und bedruckt haben dürfte, das man aus Leinen herstellen konnte. Die Signatur „GS“ auf diesen Platzdeckchen (40 x 28 cm) mit folkloristischen Motiven kann nicht zugeordnet werden.
Aufgrund ihrer großen Größe sind diese Leinendrucke (44 x 36 cm) vermutlich neueren Datums, haben aber mit einem für die nordische Küche grundlegenden Tier ein traditionsreiches Motiv gewählt: Sill.
Da in Skandinavien viel gestickt wurde und immer noch wird, v.a. in der Kreuzstich-Technik, sind auch hier wunderschöne Tischsets entstanden. Jene, deren Pflanzen man anhand der botanischen Genauigkeit der Wiedergabe identifizieren kann, stammen zumeist aus der Entwurfsarbeit der Dänin Clara Wæver (1855-1930).
„Wilde Erdbeere, Glockenblume, Mohn, Kornblume“, Kreuzstich (45 x 29 cm); 4er-Set
„Gräser 1“, Kreuzstich (44 x 35 cm)
„Gräser 2“, Kreuzstich (44 x 35 cm)
„Gräser 3“, Kreuzstich (44 x 35 cm)
„Rose“, Kreuzstich (39 x 29 xm)
„Rose“, Kreuzstich (42 x 34 cm)
„Wildrose“, Kreuzstich (43 x 31 cm)
„Leberblümchen“, Kreuzstich (43 x 31 cm)
„Mohn“, Kreuzstich (45 x 35 cm)
„Acker-Stiefmütterchen“, Kreuzstich (41 x 28 cm)
„Katzenpfötchen“, Kreuzstich (41 x 28 cm)
„Begonie“, Kreuzstich (43 x 31 cm); 2er-Set
„Fuchsie“, Kreuzstich (45 x 33 cm)
„Krokus“, Kreuzstich (43 x 31 cm)
Auch dem Ornament sei hier das Wort gesprochen. Gerade beim Sticken kommt es auf Kunstfertigkeit an, und mit Nadel und Faden bloß einer Farbe kann auf zurückhaltende Art Variationsreichtum geschaffen werden:
Aber uni kann auch weniger dezent daherkommen: Die finnische Textildesignerin Dora Jung (1906-80) entwarf für die Weberei Tampella u.a. die Rustica-Linie aus grobem Leinen in allen erdenklichen Farbtönen und mit jeweils kontrastierenden Webkanten. Die Maße der Platzdeckchen sind je nach Charge nicht immer identisch, diese hier messen 37 x 30 cm und decken den fröhlicheren Teil der Farbskala ab:
Tischdecken für den Kaffeetisch
Auch hier findet man Gesticktes und Bedrucktes, von Hand oder industriell Gefertigtes. Allen diesen Tischdecken im Mittelformat ist aber eines gemein: Sie geben dem Tisch sofort eine bestimmte Note.
Trotz der langen Evolution, die es gebraucht hat, damit wir uns heute als relativ weit entwickelte Menschheit begreifen, sitzen uns alte Muster fest in DNA und Gehirn. Die erwiesenermaßen ausgleichenden, sowohl der physischen als auch psychischen Verfassung förderlichen Effekte von Natur können absichtlich zumindest ansatzweise künstlich erzeugt werden. Dazu müssen wir gar nicht bewusst an etwas uns Angenehmes denken, es reicht, wenn Reize unterschwellig wahrgenommen und von unserem Gehirn verarbeitet werden. Angenehme Reize = angenehme Assoziationen.
Also mit einem Wort: Steht am Schreibtisch eine Topfpflanze, liegt am Tisch ein Tuch mit abgebildetem Grünzeug, wird das mit etwas Angenehmem verknüpft, Blutdruck und Herzfrequenz sinken, die Produktion von Stresshormonen nimmt ab, wir sind entspannter.* Das ist wirklich sehr simpel ausgedrückt und ersetzt sicher keinen Ausflug ins Grüne oder einen Nachmittag auf einer Parkbank. Aber besser als nix, so ein Tischtuch!
Mit Krokus, Narzisse und Schlüsselblume bestickt, ist diese Tischdecke (84 x 84 cm) ein Fall für die Vorfreude auf Frühling und Ostern:
Hier wurde ungebleichtes, dickes Leinen (95 x 95 cm) mit Frühlingsblühern in Kreuzstich versehen:
Bei dieser in Plattstich bestickten Tischdecke (95 x 95 cm) aus ungebleichtem Leinen mit Spitzenbordüre sitzt gleich der Sommer mit am Tisch: Stachelbeeren, Erdbeeren, Schwarze Ribiseln, Hafer, die ersten Hagebutten…
Von den Landschaftsblumen Schwedens war oben schon die Rede, hier finden sich alle 25 auf einer kleineren Leinentischdecke (64 x 64 cm) in Kreuzstich vereint:
Mit feinsten Plattstichen wurden diese Tränenden Herzen auf weiße Baumwolle (63 x 63 cm) gestickt:
Rosen haben immer etwas Romantisches an sich, so auch auf dieser Leinendecke (86 x 81 cm) mit Kreuzstich…
…oder auf dieser Variante in ungebleichtem Leinen (77 x 68 cm) mit Spitzenbordüre. Hier wurden die Blüten viel stilisierter dargestellt als oben:
Wie zart die Rosa- und Grüntöne auf dem ungebleichten Untergrund oben wirken, im Vergleich zu den klaren Farben Rot, Blau und Grün auf diesem weißen Tuch (58 x 58 cm):
Ein Klassiker nicht nur bei Porzellan ist die immer so sauber und frisch wirkende Kombination von Blau auf Weiß, wie etwa hier bei diesem Tischtuch (75 x 71 cm) :
Ganz anders kommen da schon diese bedruckten Tischdecken daher, prägnanter und manche geradezu knallig:
„Buschwindröschen“, Finlayson (90 x 85 cm)
„Schlüsselblumen“, Leinen, Frösö (85 x 85 cm)
Und wieder kommt Sommerlaune auf:
„Waldbeeren“, ungebleichtes Leinen (79 x 74 cm)
„Wilde Erdbeeren“ (93 x 90 cm)
Festliche Läufer
Egal, ob die Tafel festlich mit weißem Leinendamast gedeckt ist oder das nackte Holz zu sehen ist, spielt sich meistens in der Mitte einiges ab: Speisen stehen bereit, die Torte trohnt mit Kaffee, Milch & Zucker an ihrer Seite, abends spenden Kerzenhalter ihr weiches Licht, Salz- und Pfeffer stehen bereit, Wasserkaraffen und Weinflaschen,… All das kann sehr schön durch einen der Tischlänge angemessenen Läufer zusammengehalten werden. Auf Schwedisch heißen diese Tischläufer „festremsa“, übersetzt „Feststreifen“ i.S. von festlichem Streifen.
Besonders schön ist diese Variante aus der Feder von Gocken Jobs (1914-95, S), die gemeinsam mit ihrer Schwester Lisbet Jobs (1909-61, S) für die familieneigene Textildruckerei Jobs Handtryck an die 100 Drucke für Meterware und darüber hinaus auch kleine Drucke entwarf. Dieser hier (232 x 30 cm) heißt Rosmarin und benötigt einen wirklich langen Tisch:
Für diesen in Kreuzstich bestickten Läufer (170 x 33 cm) braucht es einen Tisch ab 2,5 m Länge, damit die Gäste an den Kurzenden genügend Platz für Ihr Gedeck haben. Stilisierte Rosen in kräftigen Farben geben dem Textil eine poppige Note:
Mit diesem Läufer (142 x 22 cm) braucht man keine Blumen, denen würde doch nur die Schau gestohlen von diesen perfekten Rosen in Plattstich:
Weitaus dezenter sind diese Tischläufer:
„Rosenknospe, Acker-Stiefmütterchen“ (142 x 19 cm)
„Rosenknospen“ auf gelbem Leinen (100 x 18 cm)
To be continued…
Literatur:
* Einen Überblick über Studien zum Thema Bio- und Phytophilie und Psycho-evolutionäre Stressreduktionstheorien gibt die Diplomarbeit von Marlene Mann: „PHYTOPHILIE: Evolutionär bedingte Auswirkungen von natürlichen und künstlichen Grünpflanzen am Arbeitsplatz auf die menschliche kognitive Leistung, Stimmung, Raumwahrnehmung und das Stresshormon Cortisol“ (2010, Universität Wien, http://othes.univie.ac.at/11899/1/2010-11-10_0001008.pdf )