Arne Jacobsen (1902-71, DK) ist einer jener Designer, denen fast ausschließlich Designklassiker gelungen sind. Egal, was er anfasste, es wurde zur Designikone.
Von der Architektur kommend, entwickelte er sich über Bauprojekte und da wohl vor allem über sein Hotelprojekt SAS Roayl Hotel, für das er alle Details von der Einrichtung bis hin zu den Türgriffen entwarf, zum Produktdesigner.
Sein Monoblock-Besteck aus dem Jahr 1957 wirkte schon bei Erscheinen unglaublich avantgardistisch, noch 10 Jahre später empfand der Regisseur Stanley Kubrick (1928-99) es als futuristisch genug, um ihm eine Nebenrolle in seinem Film 2001: A Space Odyssey zu geben. Und dass das Besteck nichts an Kühnheit verloren hat, sieht man auf einen Blick:
Nicht nur an Bord von Raumschiffen war das Besteck zu finden, auch im erwähnten SAS Royal Hotel war es Teil der Ausstattung, flog jedoch 1963, also 3 Jahre nach Eröffnung, aus dem Inventar – es war formal seiner Zeit wohl doch zu sehr voraus und wurde schlichtweg als unpraktisch abgetan. Mittlerweile ist es im hoteleigenen Restaurant wieder fixer Bestandteil der Gedecke. Schließlich weiß man ja in Dänemark, was man an Arne Jacobsen hat.
Noch dazu ist das Besteck gar nicht schwierig in der Handhabung. Dass das Messer ungewöhnlich gestaltet ist, mag das Auge irritieren, nicht aber die Hand, die gut damit hantieren kann. Und die Gabeln eignen sich hervorragend um Spaghetti zu essen – man wickelt damit schön kleine Nestchen auf, die dann elegant im Mund verschwinden. Mit dem Bouillonlöffel kippt man das dünne Süppchen ganz praktisch in den Mund. Das Besteck ist zwar sehr flach, liegt aber bis auf das Messer nicht völlig eben am Tisch auf, sodass man sich beim Aufnehmen leicht tut. Und auch die Materialstärke des Messergriffes begünstigt ein gutes Aufnehmen.
Das Besteck war relativ umfangreich, hier sind nur Teelöffel, Dessertgabel, Bouillonlöffel für RechtshänderInnen, Tafelgabel, Tafelmesser, Vorlegegabel und Saucenlöffel zu sehen. Darüber hinaus gab es u.a. noch Mokkalöffel, Dessertlöffel, Suppenlöffel (deren Form jener des oben abgebildeten Teelöffels gleicht), Salat-/Vorspeisengabel, Vorspeisenmesser, Buttermesser, Salatbesteck, Tortenheber, Vorlegelöffel und -gabeln. Und Bouillonlöffel für LinkshänderInnen! Die anteilige Produktionsmenge der für die linke Hand gedachten Löffel entsprach in etwa dem linkshändigen Anteil an der Bevölkerung.
Das Besteck ist in zahlreichen Museumssammlungen zu finden, so etwa in jener des MoMA in New York, des British Museum in London und natürlich auch im Designmuseum Danmark in Kopenhagen, wo es zumindest vor einigen Jahren noch ausgestellt war (bis 2022 bleibt das Museum aufgrund von Renovierungsarbeiten geschlossen):
Neben seinem markanten Knick zeichnet den Bouillonlöffel auch sein kurzer Stiel aus. Dieser hat den Vorteil, dass man das dünne Süppchen nicht so leicht verwackeln und verschütten kann. Der Saucenlöffel war dem Bouillonlöffel nachempfunden…
…allerdings mit deutlich tieferer Kelle und einer kecken kleinen Ausgusslippe:
Alle Gabelarten glichen sich in der Form:
Die dänische Manufaktur Anton Michelsen (1841-1985) stand die ersten Jahrzehnte lang für die Produktion, etwa ab 1970 übernahm Georg Jensen die Besteckproduktion. Das Unternehmen fusionierte schließlich 1985 mit Georg Jensen (gegr. 1904), dem Holmegaard Glasværk sowie der Kongelige Porcelænsfabrik zu Royal Copenhagen.
Die Brandeln, in denen die Besteckteile gestanzt und geformt werden, sind irgendwann abgenützt und müssen ersetzt werden. Außerdem wird ja bei hochwertigem Besteck jedes Teil in vielen Schritten händisch nachbearbeitet und poliert. Dadurch ergeben sich feine Abweichungen in Größe und Materialstärke, wie hier deutlich zu sehen ist:
Diese Michelsen-Messer mit Wellenschliff sind etwas materialstärker als die Jensen-Messer, können dadurch am Rücken liegen:
Und dieses Jensen-Messer ist breiter als die Michelsen-Variante:
Hier die Präge- bzw. Ätzstempel der beiden Firmen:
Die Tafelgrößen von Messer, Gabel, Löffel, sowie Dessertlöffel, Teelöffel, Salatbesteck und Tortenheber sind nach wie vor bei Georg Jensen in Produktion. Alle übrigen Teile werden nicht mehr hergestellt.
Literatur:
The British Museum/Collection:
https://www.britishmuseum.org/collection/object/H_2015-8046-1-a-k