österreichisches Besteck: anonym…?

Dieses Beispiel für außergewöhnliches Besteckdesign Made in Austria muss einstweilen noch unter „anonymes Design“ laufen, aber ich hoffe sehr, den Namen dahinter recherchieren zu können. Einzig der Hersteller ist mir bekannt: Die Messer- und Stahlwarenfabrik Franz Pils & Söhne, auch Pils-Werndl-Werke genannt, die von 1933-67 in Steinbach bei Steyr in Oberösterreich tätig waren.

1933 kauften Franz Pils und seine Söhne Franz und Luwig die 1880 gegründete und 1929 stillgelegte Messerfabrik „Ludwig Werndl’s Nachfolger Mach & Dworczak“ in Steinbach und brachten mit ihrer Besteck- und Messerproduktion wieder Leben in die alten Fabrikshallen. Nach den Firmen Hackwerke in Steyr und Neuzeughammer-Amboss in Neuzeug wurden die Pils-Werndl-Werke zur drittgrößten Messerfabrik Österreichs. Neben dem eigenen Sortiment produzierten sie auch Klingen für u.a. Berndorf und Hertzka.

Als Billigimporte aus Asien aber zunehmend zur Konkurrenz wurden, musste Konkurs angemeldet und das Werk 1967 geschlossen werden. 200 Menschen in der 2000 Einwohnende zählenden Gemeinde verloren ihren Arbeitsplatz und Steinbach geriet in eine wirtschaftliche und psychosoziale Krise. Ein wohl durchdachtes, die Bevölkerung einbindendes Konzept machte Steinbach ab Mitte der 1980er Jahre wieder zu einer prosperierenden Gemeinde (Zu diesem sog. „Steinbacher Weg“ siehe auch hier).

Die historische Fabrikshalle von Pils Werndl in Steinbach, die früher der Messererzeugung diente, ist heute ein Kulturzentrum.

Das Besteck kommt grobkantig daher, mit einer markant eckigen Gabel, deren Kurzzinkigkeit und flache Form die Materialität noch betonen. Gekonnt spielt der Entwurf gegen diese Dicke und Kantigkeit eine feine, sehr schmale Messerklinge aus. Die kleine Profilierung an der Oberseite der Griffenden verleiht den Teilen etwas mehr Leichtigkeit.

Auffällig: Es besteht eine deutliche Ähnlichkeit der Gabel mit Helmut Alders Modell 2300 (2. Version) für Amboss:

Alder entwarf sein Besteck 2300 für das 200-jährige Jubiläum von Amboss, das im Jahr 1969 gefeiert wurde. Ein weiteres Jubiläumsbesteck für Amboss mit der Musterbezeichnung 2200 entwarf Alder 1967/68, und auch hier ist die Gabel eckig mit stark gewölbtem Schiff.

Für das Firmenzeichen wurde der liegende Hammer gewählt (- die Kollegen in Neuzeug bei Steyr hatten ja schon den Amboss im Logo):

 

Dem Kustos des Messerermuseums Steinbach, Dr. Heinz Kieweg sei hier herzlich gedankt. Von ihm konnte ich die Details zu den Verquickungen und Entwicklungen der Firmen Werndl und Pils erfahren.

 

Weitere österreichische Bestecke finden Sie hier, skandinavische Bestecke hier und Allgemeines zu Besteck hier.


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